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Sportlerleiste (= Sport + Leistenschmerz? – „weiche Leiste“?)

Einleitung

Sportliche Betätigung gilt heutzutage als ein wichtiger Baustein für eine gesunde Lebensführung. Obwohl die positiven Aspekte eindeutig überwiegen, können sich gelegentlich Beschwerden einstellen, die nicht nur die Ausübung der verursachenden Sportart behindern, sondern auch im privaten und beruflichen Alltag Einschränkungen nach sich ziehen können. Der Leistenschmerz als eine solche Beschwerdeart stellt sowohl beim Freizeitsportler, beim ambitionierten Amateur als auch beim Profisportler eine besondere Herausforderung für die behandelnden Ärzte dar.

Begriffswirrwar – wovon reden wir eigentlich?

Anders als beim Leistenbruch ist die genaue Eingrenzung im medizinischen Sinne vieldeutig. Das liegt u. a. an der Vielzahl der möglichen Beschwerdeursachen. Sportmediziner und Chirurgen verwenden Begriffe, die von der einfachen Beschreibung als „Syndrom“ bis hin zur vermuteten auslösenden Ursache reichen: Adduktorensyndrom – Sportlerhernie – Leistenzerrung – Schambeinentzündung – weiche Leiste.

Verursachende Sportarten

• Mannschaftssportarten wie Fußball, American Football, Basketball, Handball, Hockey und Eishockey. All diesen Sportarten sind abrupte Bewegungsmuster wie Start-Stopp, Vorwärts-/Rückwärts-/Seitwärts- und Rotationsbewegungen gemeinsam. Dazu kommen das Stand- und das Schussbein und weitere intensive Belastungen für die Muskulatur, die Sehnenansätze und Skelettstrukturen des Beckenbereiches.
• Bei Ausdauersportarten wie bei Marathonläufern, Leichtathleten oder Triathleten treten neben abrupten Einzelbewegungen wie bei Sprüngen und Hindernisbewältigung die intensiven Ausdauerbelastungen der Beine und des Beckenbereiches hinzu.

Symptome und ihre Ursachen

Schmerzen:
Die Schmerzanamnese ist zur Einordnung des Leitsymptoms nach folgenden Gesichtspunkten zu erheben: Wichtig sind der Schmerzbeginn (Trauma oder unklar?), die Schmerzdauer (Tage / Wochen / Monate), der Schmerzcharakter (dumpf / stechend / örtlich / ausstrahlend), die Besserung durch Schonung oder therapeutische Maßnahmen oder die erneute Schmerzzunahme durch erneute Belastung. Als subjektives Maß gilt die Schmerzmessung anhand einer visuellen Schmerzskala.
Leiste:
Ein vorhandener Leistenbruch verursacht gelegentlich nur dann Beschwerden, wenn der Bruchinhalt in den Bruchsack eintritt und Einklemmungserscheinungen hinzutreten. Sensible Hautnerven der Leistenregion können in ihrem Verlauf durch die Muskulatur und die relativ scharfkantigen Bindegewebsschichten bewegungsabhängig bedrängt und gereizt werden.
Wirbelsäule:
Als Schmerzquelle kann auch die Wirbelsäule, hier speziell ein Bandscheibenvorfall bzw. einen Nervenwurzelreizung in Betracht kommen, aber auch Fehlstellungen und Verschleiß.
Hüftgelenk und „Gelenke“ im Beckenbereich:
Abnutzungserscheinungen und/oder Fehlstellungen des Hüftkopfes im Verhältnis zur Gelenkpfanne können Bewegungsschmerz auslösen. Die bindegewebigen eher straffen Verbindungen zwischen Kreuz- und Darmbein können gelockert und/oder entzündlich gereizt sein. Gleiches gilt für die Schambeinfuge, in deren knöcherner Nachbarschaft von allen Richtungen sternförmig die kräftigen Bauch- und Beinmuskeln ansetzen. Auch der Schambeinknochen kann auf Überlastungen entzündungsartig reagieren.

Muskeln / Sehnen / Faszien:
Hier sind besonders die Oberschenkeladduktoren, die Hüftbeugermuskulatur und der Psoasmuskel zu nennen. Diese Muskulatur mit ihren sehnigen Ansätzen am Knochen und die bindegewebigen Faszienhüllen reagieren ebenfalls schmerzhaft auf Verletzungen und Überlastungen.

Sportlerleiste – Diagnostik

Die Diagnostik des untersuchenden Arztes (Orthopäde bzw. Allgemein- u. Viszeralchirurg) gliedert sich nach der sorgfältigen Erhebung der Vorgeschichte entsprechend der vielfältigen Beschwerdeursachen in mehrere Schritte und Richtungen:

• Eindeutige Brüche der äußeren Bauchwand lassen sich in der Regel durch die Blickdiagnose in Verbindung mit einer Tastuntersuchung feststellen.
• Die körperliche Untersuchung umfasst in Anbetracht des Zusammenwirkens mehrerer möglicher Ursachen die Beurteilung der gesamten Körperhaltung (im Stehen / Gangbild), die spezielle Untersuchung der Hüftgelenke (Abtasten / Bewegungsausmaße), des Beckens (Druck- / Kompressionsschmerz), der Wirbelsäule (Druck-/Klopfschmerz /Beweglichkeit), der Muskulatur (Druck- / Dehnungsschmerz). Im Idealfall erfolgt eine zusätzliche physiotherapeutische Befunderhebung, um das funktionelle Zusammenspiel von Muskelgruppen und Gelenken zu erfassen.
• Weitere Aspekte: die Bewertung von normabweichenden Befunden muss ganzheitlich erfolgen, denn nicht jede Normabweichung ist krankhaft.
• … und daran denken: Beschwerdeursachen im Bereich der Genital- und/ oder Bauchorgane
müssen ggfs. abgeklärt werden.

Der Umfang der zusätzlichen technischen bzw. weiteren fachärztlichen Untersuchungen ergibt sich aus den Erkenntnissen dieser Voruntersuchung:

Ultraschall: Zur exakten Diagnostik gehört als erster Schritt bei jedem Patienten – insbesondere vor als auch nach einer möglichen Operation – die systematische Untersuchung der Leistenregion mit einem hochauflösendem Ultraschallgerät, und zwar sowohl in Ruhe als auch dynamisch unter den Bedingungen der Bauchpresse. Damit lassen sich bei entsprechender Erfahrung des Untersuchers auch Befunde einer beginnenden Leistenhernie bzw. eine geschwächte Leistenhinterwand eindeutig beurteilen.
Kernspintomografie (MRT): Häufig wird heute die Entscheidung getroffen, anstatt durch gewöhnliche Röntgenaufnahmen einer betreffenden Skelettregion per MRT ohne Strahlenbelastung die Gesamtheit einer Körperregion von Skelett, Muskulatur, Band- und Sehnenapparat sowie weiterer Bindegewebs- und Nervenstrukturen zu beurteilen. Die Leistenbruchdiagnostik ist nur möglich unter dynamischer Untersuchung.
Computertomografie (CT): Ergänzend können bestimmte Fragestellungen am Skelett und die Diagnostik der Bauchorgane eine CT-Untersuchung erfordern.
Neurologe: Abklärung von motorischen oder sensiblen Ausfällen, Messung der Nervenleitung.
Urologe / Gynäkologe: Bei Anzeichen von Beschwerde verursachenden Erkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane.

Sportlerleiste – Therapien/ Behandlung

Konservativ:

Sportpause: Als Akutmaßnahme, um Schmerzen zu vermeiden bzw. abklingen zu lassen, Minimum 6 Wochen – auch bei Profisportlern!
Schmerztherapie (auf ärztliche Verordnung!): Medikamente wie „nicht steroidale Antirheumatika“ (NSAR). Infiltrationsbehandlung mit Lokalanästhetika, ggfs. Zusatz von Glucokortikoiden, Eigenblut, NSAR.
Physiotherapie: ist die wichtigste Maßnahme. Hier erfolgt der gezielte Muskelaufbau am Rumpf und an den Extremitäten, um einseitige Defizite auszugleichen und die Gegenspieler (z.B. Adduktoren/Abduktoren) kräftemäßig ins Gleichgewicht zu bringen. Außerdem wird die Verbesserung der Gelenk- und Faszienmobilität angestrebt.
Auch nach einer OP am Adduktorensehnenbereich (s.u.) ist der sofortige Beginn einer physiotherapeutischen Behandlung notwendig.

Im Idealfall erfolgt eine interdisziplinäre Koordination der Maßnahmen durch das Behandlungsteam!

Operativ:

Bei Vorliegen einer Leistenhernie: operative Versorgung mit oder ohne Netzimplantation (s. Kapitel „Leistenbruch“). Es stehen einige Verfahren zur Auswahl.
Bei therapieresistenter Beschwerdesymptomatik am Adduktorenansatz: bewährt hat sich nach Erfahrung des Autors eine netzartige Verlängerungsplastik der Adduktorensehne/-faszie, die den Adduktorenansatz entlastet (Operationsverfahren nach BRUNT).

Rehabilitation – was kommt nach der Operation

• Nach einer Leistenbruchoperation in der Regel 2 – 4 Wochen Schonung, orientiert an den postoperativen Restbeschwerden, dann leichte Tätigkeiten bereits möglich.
• Erfahrungsgemäß volle Einsatzfähigkeit und Belastbarkeit nach ca. 4 – 6 Wochen
• Fadenzug nicht erforderlich, da resorbierbare Hautnähte verwendet werden
• Wasserkontakt (Duschen) ab 1. Post-OP-Tag mit Duschpflaster möglich, Baden erst nach Wundheilung (nach 2 Wochen) erlaubt.
• Nach einer OP an der Adduktorensehne (OP nach BRUNT) sofortiger Beginn der Physiotherapie zunächst mit passiv geführten Bewegungen, dann Übergang zu aktiven Übungen. (Profi-)Sport frühestens nach 6 Wochen.

Ärztlicher Rat

• Sollten Sie akute, anhaltende oder bei Belastung wiederkehrende Schmerzen nach sportlicher Betätigung feststellen, machen Sie eine Sportpause und suchen Sie demnächst einen Arzt auf.
• Zum Ausschluss oder Nachweis eines Leistenbruches bei Vorliegen einer „Sportlerleiste“ holen Sie sich Expertenrat.

Infos & Links

http://www.springermedizin.de/sportlerleiste/5571684.html

Die Sportlerleiste: Von Leistenschmerzen bis Leistenbruch

Dr. med. Lutz Steinmüller MBA